Vor zwei Wochen habe ich in meinem Artikel “Der Batting Titel braucht ein Update” behauptet, dass die Batting Average zur Bewertung eines Hitters wenig aussagekräftig ist und Fans auf die falsche Fährte führen kann, wenn sie zwei Spieler miteinander vergleichen wollen. Tatsächlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten als die darin beschriebenen Methoden, jedoch wollen wir zuerst die Evaluation von Pitchern näher betrachten, bevor wir in die Tiefen der Hitter-Analyse eintauchen.
Das Äquivalent zur Batting Average, dem teilweise fehlerhaften Stat der Hitter, ist bei den Pitchern wahrscheinlich der Earned-Run Average. ERA ist der Standardwert schlechthin, wenn man auf die Saisonleistung eines Pitchers schaut und ist auch normalerweise die erste Statistik, welche in der Stat Line eines Pitchers auftaucht (nach der Pitcher Win-Loss Statistik, welche tatsächlich so unnötig ist, dass ich sie weder erklären noch jemals wieder erwähnen werde).
Berechnet wird der ERA, in dem man die Anzahl an Earned-Runs durch die Anzahl an gepitchten Innings teilt und diesen Wert dann mit der Zahl 9, also die Anzahl an Innings eines regulären Spiels, multipliziert. Der ERA sagt dann aus, wie viele Runs ein Pitcher, im Durchschnitt, in 9 Innings kassieren würde.
Der MLB-weite Durchschnitt in ERA lag im letzten Jahr bei 4.51.
Probleme mit dem Earned-Run Average
Es gibt bei der Berechnung des Earned-Run Average viele Probleme, zum Beispiel, der Fakt, dass eben nur Earned Runs mit einberechnet werden. Vielleicht fragt ihr euch nun, was der Unterschied zwischen einem “Earned Run” und einem “Unearned Run” ist. Von letzterem spricht man, wenn ein Run ohne den Fehler der Defense, und damit auch des Pitchings, nicht entstanden wäre. Am Ende ist es jedoch die Aufgabe des Scorers zu entscheiden, ob dieser Run “Earned” oder “Unearned” war, was schon einmal ein erstes schlechtes Signal sein sollte.
Andere Probleme sind auch die verschiedenen Ballparks und die teamabhängige Stärke der Defense, welche ein Pitcher hinter sich stehen hat. Diese beiden Probleme wollen wir jetzt näher betrachten.
Letzteres Problem versucht “DIPS” (Defense-Independent Pitching Statistics) zu lösen. Eine Statistik aus der Kategorie der “DIPS” ist “FIP” (Fielding Independent Pitching). Da nicht jeder Pitcher eine gleich starke Defense hinter sich stehen hat, wird diese Defense hier auf einen MLB-Durchschnittswert festgelegt und geschaut, wie der ERA eines Pitchers mit dieser Defense ausgesehen hätte. Um dies zu erreichen, wird nur auf die Ausgänge einer Plate Appearance geschaut, welche der Pitcher direkt beeinflussen kann. Home Runs, Strikeouts, Walks und Hit-by-Pitches. Die ersten drei genannten Stats sind häufig auch als “Three True Outcomes” bekannt, da in diesen (bis auf seltene Ausnahmen) keine Defense involviert wird.
Ein kleines Beispiel: Ein Ball in die 5-6-Hole (die Zone zwischen Third Baseman und Shortstop) wird von einer guten Defense relativ einfach zu einem Ground Out verwertet, aber bei einer schlechteren Defense kann es durchaus zu einem Infield Single werden.
Wenn man sich öfters Spiele der MLB anschaut, dann hört man irgendwann die Begriffe “Pitcher-friendly Ballpark” und “Hitter-friendly Ballpark”. Das liegt daran, dass es nicht, wie beim American Football, eine genau Spielfeldgröße gibt, sondern nur Minimalwerte und Werte, welche die MLB empfiehlt. Wie der Name es eigentlich schon verrät sind die einen Ballparks besonders für Pitchers und andere eher für Hitters ein Vorteil.
Ein Pitcher, welcher einen ERA von 5.00 im Coors Field der Colorado Rockies hat und ein anderer Pitcher, welcher den gleichen ERA im Petco Park der San Diego Padres hat, sollte und kann nicht gleichgesetzt werden. Das Coors Field und der Petco Park sind normalerweise die klassischen Beispiel für einen Hitter-friendly bzw. Pitcher-friendly Ballpark und werden auch in Zukunft von mir benutzt werden.
Das Ballpark-Problem wird, unter anderem, versucht durch “ERA-” zu lösen. Hierbei wird ein “Park Factor” eingerechnet, welcher jedem Stadion gegeben wird und dann auch noch zusätzlich (neben anderen Berechnungen, siehe Bild) durch den durchschnittlichen ERA-Wert der American/National League geteilt wird. Der Durchschnittswert liegt dabei bei 100, wobei ein Wert von 125+ sehr schlecht ist und 70 einen exzellenten Wert darstellt.
Die Anpassung an die Ballpark-Typen, geht auch für „FIP“, aber genauer will darauf erst einmal nicht eingehen.
Weitere Statistiken
Ein weiterer wichtiger Wert ist “BABIP” (Batting Average on Balls in Play). Glenn DePaul schrieb in einem Artikel für „Beyond The Boxscore“:
“Explaining batting average on balls in play for pitchers still very well could be the holy grail of sabermetrics”
Glenn DePaul, „Projecting BABIP and Regression toward the Mean“
Für einen detaillierten Überblick empfehle ich euch seinen Artikel zu lesen, aber ich probiere “BABIP” nun trotzdem bestmöglich zu erklären (mal schauen, was dabei rauskommt).
Während “FIP” auf die Bälle, welche ins Spielfeld geraten verzichtet, sind diese das einzige was bei “BABIP” zählt. “BABIP” berechnet, wie oft ein Ball, welcher in das Spielfeld geschlagen wird, zu einem Base Hit wird und kann daher sowohl für Pitcher als auch für Hitters benutzt werden.
Das Problem liegt hier jedoch wieder in der Verteidigung, welche bei jedem Team ein anderes Level hat. Fangraphs sieht auch noch zwei weitere wichtige Faktoren bei “BABIP”: Glück und Talent.
Ersteres ist eigentlich selbsterklärend, gleiches gilt auch für das Talent, da ein guter Pitcher, im Normalfall, wenig harten Ballkontakt zulässt, welcher eine größere Chance hat, zu einem Base Hit zu werden (zum Beispiel: ein schwacher Schlag vs. ein harter Schlag in das 5-6 Hole).
Pitcher mit einem hohen “BABIP” sind dadurch jedoch nicht automatisch schlecht, sondern deutet dies häufig eher auf eine schlechte Defense oder eine Ausreißer Saison hin. Auf lange Zeit hin gleicht sich BABIP normalerweise immer an den Durchschnittswert an, was als “Regression toward the mean” bekannt ist.
Dies ist auch ein Grund, warum Voros McCracken (Erfinder des “DIPS”) im Jahr 2001, in einem schon fast legendären Artikel über DIPS bei „BaseballProspectus“, schrieb:
“There is little if any difference among major-league pitchers in their ability to prevent hits on balls hit in the field of play. […] There is little correlation between what a pitcher does one year in the stat and what he will do the next. In other words, what Eric Milton‘s hits per balls in play was in 2000 tells us next to nothing about what it will be in 2001. This is not true in the other significant stats (walks, strikeouts, home runs).”
Voros McCracken, „Pitching and Defense: How Much Control Do Hurlers Have?“
Ein kleines Beispiel hilft vielleicht: Lance Lynn hatte im Jahr 2015 einen BABIP von .319, jedoch im nächsten Jahr (in diesem Fall 2017, da er 2016 ausfiel) nur einen BABIP von .246. In den letzten beiden Jahren stieg er jedoch mit .336 und .322 wieder knapp über seinen Karriere Durschnittswert von .302 an. Alles deutet darauf hin, dass seine 2017er Saison in dieser Statistik ein Ausreißer war. Ein schlechter Pitcher ist er aber auch mit einem Karriere-Durchschnittswert von .302 nicht, immerhin war er im letzten Jahr die Nr. 5 im AL Cy Young Voting.
“BABIP” sollte also durchaus auch mit Vorsicht betrachtet werden und nicht so stark zur Prognose des nächstjährigen ERA oder allgemeinen Leistung eingerechnet werden, vor allem wenn dieser weit neben dem durchschnittlichen BABIP-Wert des Pitchers liegt. Trotzdem hilft uns dieser in der Bewertung eines Pitchers sehr weiter, da wir genau sehen, in wie viel Prozent der Fälle wir erwarten können, dass ein getroffener Ball zu einem Base Hit wird (im Durchschnitt natürlich).
WAR
Eine Zahl, welche vermutlich am besten geeignet ist, um einen Spieler auf einen Blick zu beurteilen, ist vermutlich “WAR” (Wins-above-Replacement). Der Begriff “WAR” ist mittlerweile schon fast ein Buzzword, wird für Hitters und Pitchers verwendet und hat mittlerweile auch seinen Weg zum American Football gefunden. Kurz erklärt, gibt WAR an, wie viele Siege ein Spieler dem Team, im Gegensatz zu einem beliebigen Spieler, welchen man sich für einen minimalen Deal sichern könnte, einbringt.
Allgemein schaue ich aber nicht nur auf den WAR-Wert, um mir ein Bild von einem Spieler zu verschaffen, sondern schau daneben auch auf die einzelnen anderen Statistiken, um ein gesamtes Bild von einem Spieler zu bekommen.
WHIP
Wenn ihr meinen letzten Artikel über die Arizona Diamondbacks gelesen habt, dann ist euch dieser Begriff schon bekannt, aber wisst vielleicht nicht, was er aussagt. Ganz simpel gibt dieser an, wie viele Walks und Hits ein Pitcher pro Inning abgibt. Die Berechnung erfolgt über die Division der Anzahl an Walks und Hits durch die Anzahl an gepitchten Innings. Die Bewertung sollte intuitiv sein: Umso niedriger der Wert ist, umso besser.
Starter vs. Reliever
Es gibt zwei übergeordnete Gruppen von Pitchern: Starting Pitchers und Relief Pitchers. Erstere Gruppe beginnt die Spiele im Normalfall (mittlerweile gibt es “Opener”, die das erste Inning pitchen, aber sie werden längst nicht von jedem Team benutzt und selbst die die sie nutzen, machen dies nicht in jedem Spiel) und pitchen so viele Innings wie möglich. Reliever sind die Pitcher, welche dann nach den Starting Pitchers in das Spiel kommen.
Allein mit dieser Unterscheidung, sollte schon klar sein, dass man diese Pitcher nicht gleich evaluieren kann. Meiner Meinung nach ist, zum Beispiel, ERA ein unnötigerer Wert, wenn ich zwei Reliever miteinander vergleiche, da diese häufig nur für ein bis zwei Innings ins Spiel kommen und es mich dann in erster Linie nicht wirklich interessiert, wie viele Runs dieser im Durchschnitt in neun Innings abgibt (natürlich sollte dieser nicht bei 7.00+ liegen und ein Reliever mit einem ERA von unter 3.00 ist normalerweise auch gut).
Ein weiterer Wert auf welchen ich nicht zu viel acht gebe sind Saves. Ein Save wird an den Relief Pitcher gegeben, welcher das Spiel für das gewinnende Team beendet, ohne dass das Team mit mehr als drei Runs führt, wenn dieser übernimmt (es gibt noch ein paar Mini-Details, welche erstmal uninteressant sind). Für Saves kommt häufig der sogenannte “Closer” ins Spiel, welcher meistens auch der beste Reliever eines Teams ist.
Leider achten viele Manager noch immer sehr auf diesen Stat und wollen ihren Closer nur in diesen Situationen einsetzen. Ein schlechtes Beispiel dafür sind die Baltimore Orioles und ihr Closer Zack Britton. Während des 2016 AL Wild Card Game gegen die Toronto Blue Jays, verzichtete Buck Showalter (Manager der Orioles) auf seinen besten Reliever, obwohl es mehrere Situation gab, in welchen er diesen mehr als benötigt hätte.
Nur weil ein Pitcher viele Saves hat, heißt es nicht automatisch, dass dieser sehr gut ist, sondern nur, dass er in den richtigen Situationen ins Spiel gekommen ist. Wenn ich auf Saves achte, dann eher auf die “Blown Saves”, also Save Situationen, die nicht verwertet werden.
Bei Relievern achte ich besonders auf ihren WHIP, also ihre Anzahl an abgegebenen Hits und Walks pro Inning, und ihre Strikeout-to-Walk-Ratio, welche selbsterklärend sein sollte. Auch auf die Prozentzahl an Ground Balls und wie viele Flyballs zu Home Runs werden (HR/FB%) werfe ich des öfteren einen Blick (auch bei Starting Pitchern, um zu schauen, ob er eher ein Groundball oder Flyball Pitcher ist und wie anfällig er für Home Runs ist).
Allgemein sollte zur Evaluation von Pitchern (und auch von Hittern) natürlich niemals nur eine dieser Statistiken benutzt werden, sondern es sollten die oben genannten Statistiken, weitere Statistiken und vor allem auch das Game Tape benutzt werden, um sich ein tatsächliches Bild eines Pitchers machen zu können.
Hey.
Vielen Dank für den interessanten Artikel! Bin gerade auf deine Seite aufmerksam geworden und freue mich, wichtige Informationen über die MLB und die Statistiken aus Deutschland zu bekommen. Die vielen Statistiken sind für einen Neuling eh schon schwer zu verstehen. 😉
Für Baseball interessiere ich mich schon seit meiner Jugend, aber erst jetzt steige ich auch so richtig in die Statistiken ein (bedingt durch das Spiel Out of the Park Baseball). Jetzt ist es natürlich super wenn man die deutsche Erklärung für einen Statistikwert bekommt, was mir allerdings noch fehlt um einen Wert einschätzen zu können, ist wo der Liga-Durchschnitt liegt oder welcher Wert gut/schlecht ist (hast du ja zum Teil schon angegeben).
Gibt es vielleicht einen Artikel wo du da genauer drauf eingehst?
LG Sandra
Hallo Sandra, erst einmal Vielen Dank für das Lob und ich hoffe, dass du auch in Zukunft Gefallen an dem ein oder anderen Beitrag finden wirst.
Was du ansprichst ist ein sehr guter Tipp und tatsächlich etwas, was ich in den Beitrag hätte schreiben können. Für Statistiken allgemein kann ich dir zwei Webseiten empfehlen: FanGraphs und Baseball Reference! Letzterer hat auf jeden Fall auch eine Seite, wo die Durchschnittswerte der Liga abgebildet sind(https://www.baseball-reference.com/leagues/MLB/pitch.shtml). Eine bestimmte Seite, welche zum Beispiel sagt „.300 AVG ist elite, .280 ist sehr gut, …“ kenn ich nicht, wobei die englische Wikipediaseite über Statistiken im Baseball (https://en.wikipedia.org/wiki/Baseball_statistics#Batting_statistics) eigentlich in den einzelnen Beiträgen immer was in die Richtung erwähnt.
Zu dem Thema kann ich dir auch noch einen anderen Beitrag von mir empfehlen, welcher sich (ein wenig) mit Batting-Statistiken befasst (https://thecrunchtime.de/der-batting-title-braucht-ein-update/).
Viele Grüße und nochmals vielen Dank fürs Lesen,
Silvio
Vielen Dank für die Links!
Ich werde definitiv regelmäßig vorbei schauen. 🙂