MMA UFC

Die neuen „Tschetschenen“

Lesedauer: 8 Min
5
(1)

Khabib Nurmagomedov, eigentlich aus Dagestan aber auch in Tschetschenien ein Volksheld, brachte die Region rund um diese autonomen Kaukasus Länder nach seinem Titelgewinn gegen Conor McGregor auf die internationale Karte. Kämpfer wie Zabit Magomedsharipov, Movsar Evloev, Askar Askarov, Islam Makhachev, Magomed Ankalaev, Omari Akhmedov, Shamil Abdurakhimov oder zuletzt Khamzat Chimaev folgten seinen Schritten und sind allesamt in den Rankings der UFC – Zabit wurde zwischenzeitlich zwar gedroppt, war aber lange Zeit im Dunstkreis für einen Titelcontender. Mit Khusein Askhabov kämpft bald ein weiteres, ungeschlagenes Megatalent in Dana Whites Contender Series. Aber um die Tschetschenen, Dagestanis oder Inguscheten soll es hier nicht gehen, vielmehr um eine weitere Region im Kaukasus die in den nächsten Jahren, durch ihre Megatalente, für Furore sorgen kann – Georgien!

Die Georgier haben seit neustem sechs Fighter in der UFC, von denen alle sechs potential haben die nächsten Jahre das Geschehen in den Rankings zu dominieren. Anders als die Tschetschenen und Dagestaner haben die Georgier keine klare Disziplin, in der sie ihren Gegnern überlegen sind, sondern verfügen in allen Bereichen über jede Menge Know How.

Giga Chikadze ist einer dieser neuen Welle aus Georgien. (georgianjournal.ge)

Zuletzt zeigte sich dies bei der UFC Fight Night: Reyes vs. Prochazka, auf der gleich zwei Georgier in der Main Card antraten. Während der eine Kämpfer den Sieg via Decision und durch starkes Ringen für sich entschied, gewann der andere durch einen Body Shot im Stand und bewies damit, dass die Georgier über Allrounderqualitäten verfügen. Allerdings sind fast alle von ihnen starke Ringer und machen es in diesem Bereich, den nördlich gelegenen Nachbaren nach.

An der Spitze des Sextetts steht Merab Dvalishvili der im Bantamweight kämpft. Der 30 Jährige wurde in Tiblis geboren und kämpfte bereits früh im Qartuli Chidaoba, einer traditionellen Ringerkampfkunst aus Georgien. Daneben machte er auch Judo, ist dort mittlerweile ein Schwarzgurt und trainierte im traditionellen Sambo. Mit 21 wanderte er in die Staaten aus und schloss sich dem Fightcamp von Serra-Longo an wo er Teammitglied von Aljamain Sterling, Al Iaquinta und Chris Weidman ist. In den Staaten begann er seine MMA Karriere und wurde nach einem 7-2 Start in seiner Profikarriere, 2017 in die UFC gerufen. Der Start dort verlief alles andere als gut, die ersten beiden Kämpfe verlor Dvalishvili beide, eine via Split Decision die andere via Submission. Allerdings machte er keine Pause nach diesen Niederlagen und kehrte weniger als fünf Monate nach seiner letzten Niederlage wieder in den Cage zurück, besiegte seine letzten sechs Gegner und festigte sich in den Bantamweight Rankings. Zuletzt gewann er gegen Cody Staman in einer unterhaltenden Paarung. In der UFC hat er noch kein Finish geholt, kommt dafür aber durch ein unglaublich starkes Ringen immer wieder zu Decision Wins. Seine Cardio ist dabei kaum ein Problem und man denkt sich immer, dass er locker noch zwei Runden länger kämpfen könnte. Ganze 59 Takedowns hat Dvalishvili in seinen bisherigen acht UFC Kämpfen durchgebracht, 13 davon alleine gegen Gustavo Lopez. Durch diese Qualitäten gibt es fast keinen Kämpfer vor ihm in den Rankings, dem er nicht gefährlich werden könnte. Einzig Petr Yan sehe ich als ebenbürtigen Wrestler in der Division. Dvalishvili ist einer, den man auf der Rechnung haben sollte, der mehr als nur Potential hat um einen Titel zu kämpfen.

Das pure Gegenteil von Dvalishvili ist sein Landsmann, Giga Chikadze. Der 32 Jährige Federgewichtler trainiert seitdem er vier Jahre alt ist Martial Arts, hat den dritten Dan im Karate und fühlt sich im Stand am wohlsten. Er ist definitiv kein ganz so guter Wrestler, konnte seine Takedown Defense aber in den letzten Jahren deutlich verbessern. Dafür ist er ein echter „Powerpuncher“ im Striking – sowohl mit den Händen als auch mit den Füssen. Kein Wunder, Chikadze kämpfte von 2008 bis 2017 professionell im Kickboxen und war ab 2015 bei Glory unter Vertrag, ehe er 2018 dann über die Contender Series von Dana White an der UFC schnupperte. Davor war er als MMA Kämpfer bei einem 5-1 Record. Bei der Contender Series musste er sich allerdings geschlagen geben und verlor seinen Kampf gegen Austin Springer via Rear-naked Chocke. Der Umweg über zwei Kämpfe bei der Gladiator Challenge und zwei weiteren Siegen, via Submission (!) brachten ihn dann endlich in die UFC. Dort trat er erstmals im September 2019 an und gewann seitdem alle sechs Kämpfe. Alleine 2020 konnte er vier Kämpfe für sich entscheiden und war einer der Shooting Stars des Jahres. Die letzten beiden Kämpfe gewann er übrigens innerhalb einer Runde und mit Cub Swanson besiegte er zuletzt eine Legende via Bodykick Knockout.

Ebenfalls in dieser Gewichtsklasse kämpft, und wohl das größte Talent dieser georgischen Newcomer, ist Ilia Topuria. Ein ungeschlagener MMA Profi mit einem 10-0 Record der bis zum Alter von 15 Jahren in Deutschland gelebt hat und seitdem in Spanien beheimatet ist. Topuria und sein Bruder sind die ersten BJJ Black Belts aus Georgien und dieser Background zeigt dann schon deutlich welche Disziplin bei Topuria groß im Kurs steht – Grappling. Im Jahre 2015 im Alter von 18 Jahren begann seine Profikarriere in der spanischen lokalen Szene. Sein BJJ Background brachte ihm bisher sieben Submission Wins ein und bereits nach seinem fünften Sieg, einen Kampf bei Cage Warriors ehe er danach zu Brave CF wechselte. Auch dort gewann er seinen ersten Kampf via Submission, die gleichzeitig seine siebte Submission im siebten Kampf darstellte. Doch Topuria hat zusätzlich genug Power in seinen Fäusten, beendete den zweiten Kampf bei Brave mit seinem ersten KO Sieg und schaffte es danach direkt in die UFC. Sein erster Gegner dort war der, ebenfalls sehr starke Grappler (5 aus 10 Siegen via Submission), Youssef Zalal, den er nach allen Regeln der Kunst dominierte und einen Decision Win für sich holen konnte. Die UFC gab ihm danach Damon Jackson, der bis dahin bei 18-3 stand und deutlich mehr Erfahrung als Topuria mitbrachte. Jackson kann auf dem Boden überzeugen, aber auch ein sehr starker Finisher sein – er brachte 14 Submission Wins mit. Für Topuria war auch diese Hürde nicht zu hoch – er beendete den Kampf nach 2:38 via Knockout und brachte sich ernsthaft in die Conversation für die Rankings. Sein nächster Kampf findet voraussichtlich bei „McGregor vs. Poirier III“ im Juli statt. Sein Gegner dort, wie könnte es anders sein, ein weiterer starker Submission Artist, Ryan Spann. Spann hat zwar nur den blauen Gurt in BJJ aber ist ein erfahrener No-Gi Grappler und konnte in seiner Karriere elf Gegner zum abklopfen bringen. Sollte Topuria auch diesen Kampf gewinnen ist er ein ernsthafter Contender und das mit 24 Jahren! Die Rankings sind dann offen für den georgischen/deutschen und spanischen Wunderknaben.

Für Furore sorgte aber auch ein anderer Mann aus Georgien, eine Gewichtsklasse über ihm – Teamkollege von Khamzat Chimaev, Guram Kutateladze. Er wurde vor 29 Jahren in Tiblis geboren, wo er bis zum Jahre 2007 blieb, ehe er nach Moskau und 2012 nach Schweden asuwanderte. Dort trainiert er mittlerweile beim renommierten Allstars Gym und ist durch diese Ausbildung mittlerweile ein Allrounder im MMA. Er hat einen 12-2 Record vorzuweisen, welchen er vor allem in Schweden aufgebaut hat, später aber auch bei Brave und der Superior Challenge ausbaute. Im Oktober 2020 durfte er dann endlich in der UFC ran, wo er mit Mateusz Gamrot einen ungeschlagenen Gegner bekam und diesen kontrovers via Split Decision gewann. Kutateladze entschuldigte sich danach für seine Performance und sagte noch im Ring, dass Gamrot den Sieg mehr verdient hätte. Kutateladze ist als Striker ziemlich stark, konnte bereits sieben Gegner via TKO/KO finishen, hat aber auch einen sehr guten Grappling Background und ist ein guter Ringer. Von allen genannten ist er der beste Allrounder in der UFC.

Der schwerste des georgischen Sextett ist Roman Dolidze, der einen 8-1 Record vorzuweisen hat und, wie auch Kutateladze, als Allrounder einzuschätzen ist. 1988 in Batumi geboren, und damit der einzige nicht-Tibliser der Gruppe, spielte er in seiner Jugend Fussball und begann mit Martial Arts erst mit 20 Jahren als er nach Odessa in die Ukraine auswanderte. Dolidze konzentrierte sich hier vor allem auf Sambo, BJJ und No-Gi Grappling. 2016 schaffte er es die ADCC Asien & Ozeanien zu gewinnen, was ihm zu einem ADCC Starterplatz verhalf. Dort scheiterte er allerdings bereits in der ersten Runde. Im Alter von 28 Jahren, konzentrierte er sich dann voll und ganz auf MMA. Seine Profikarriere begann bereits 2016 auf regionaler Bühne auf welcher er bis zu seinem sechsten Kampf ungeschlagen bleiben konnte, und 2019 in die UFC gerufen wurde. In Abu Dhabi bei „Figuereido vs. Benavidez 2“ gab er sein Debut gegen Khadis Ibragimov, welchen er in der ersten Runde via Knie und anschließendem ground and pound besiegte. Sein Stern ging allerdings erst im Dezember 2020 auf, als er gegen John Allen eine sehr attraktive Partie mit sehr geilen Submissionversuchen zeigte. Die Heel Hooks und Leg Locks sind seine Qualität und diese verschafften ihm an Ende wohl die Split Decision. Im März 2020 musste er dann seine erste Niederlage im MMA einstecken, als er gegen Trevin Giles eine Decision verlor, welche er am Ende durch fehlende Cardio einstecken musste. Auch hier hatte er zwar tiefe Leg Locks, musste während diesen Versuchen aber auch harte Treffer einstecken die zu Cardioproblemen führten. Zusätzlich war der Kampf sein Debüt im Middleweight, wo er hoffentlich auch in der Zukunft bleibt. Dolidze kämpft als nächstes gegen Alessio DiChirico am 05.06.2021.

Die letzte im Bunde ist eine Dame – Liana Jojua, die den Spitznamen „She-Wolf“ trägt und 1995 in Tiblis geboren ist. Mittlerweile lebt und trainiert sie hauptsächlich in Grozny, Tschetschenien und tritt sowohl im Flyweight als auch im Bantamweight bei den Frauen an. Ihr Fightstil wird natürlich von ihrer neuen Heimat beeinflusst. So ist Jojua eine starke Ringerin und Grapplerin, die sechs ihrer acht Siege via Submission erzielen konnte. Ihre Profikarriere begann 2015 in Moskau und endete vor der UFC ebenfalls dort mit einem Record von 7-2. Danach wurde sie bei UFC 242 erstmals auf die große Bühne gelassen und musste sich gegen Sarah Moras geschlagen geben, die ihr Gewicht nicht geschafft hat. Im Juli 2020 kehrte sie zurück und gewann gegen Diana Belbita via Armbar in der ersten Runde. Die UFC machte ihr keinen Gefallen als man ihr, bei UFC 254, die Newcomerin Miranda Maverick vorsetze. Maverick setze Jojua so hart im Stand zu, dass der Refree den Kampf nach der ersten Runde abbrach. Seitdem sieht man sie häufig in den Staaten trainieren unter anderem mit Merab Dvalishvili, Roman Dolidze, Karine Gevorgyan oder auch mit Bellator Newcomerin Diana Avsaragova. Ein Teamwechsel in die USA wird wohl ein Ziel von Jojua sein, dass sie als nächstens angehen wird. Sie hat keinen Kampf der offiziell ist, forderte zuletzt aber erneut Sarah Mora heraus, um ihre erste UFC Niederlage zu bereinigen.

Weitere georgische Talente:

Unter anderem kämpft bei der deutschen Promotion Amiran Gogoladze, der einen 11-1 Profirekord hat, im Welterweight antritt und auf einer 6-Fight-Win-Streak ist. Er ist beim UFD Gym unter Vertrag und hat dadurch gute Chancen für eine größere Promotion.

Ebenfalls in Deutschland bekannt ist Levan Chokheli, der einen 9-0 (1 No Contest) Record mit sich bringt und auch bei EMC am Start war. Auch er kämpft im Welterweight und ist mit 25 Jahren ein noch junger Kämpfer, für den der nächste Schritt bald kommen könnte.

Genau wie für Levan Chokheli, der momentan bei ACA mitkämpft und dadurch wohl Probleme haben wird in die UFC zu gelangen. Mit 32 Jahren und einem Record von 18-4 wird er seine Karriere wohl eher in Russland fortsetzen.
Ebenfalls 32 Jahre alt und im Heavyweight zuhause ist Shota Betlemidze, der einen 14-2 Record mitbringt und ein guter Bodenkämpfer, mit vielen Submissions im Arsenal, ist.
Vazha Tsiptauri (10-1-1) Bantamweight, ebenfalls bei ACA aktiv, ist ein weiteres Prospect welches seine Prime noch nicht erreicht hat.

Auch der Deutsch-Georgier Niko Samsonidse aus dem Spitfire Gym in Berlin ist ein Prospect, dass man im Auge haben muss. Der 26 Jährige begann 2012 mit seiner Profi MMA Karriere, nachdem er durch BJJ in den Kampfsportbereich gefunden hat. Nach zwei Siegen in den ersten beiden Kämpfen, durfte er bei M1 in Russland kämpfen wo er seine erste und bis jetzt letzte Niederlage einstecken musste. Bei „We love MMA“ und GMC baute er seinen Record auf 8-1 aus, kämpfte zuletzt bei Super League MMA wo er Connor Hitchens via Knockout besiegte und seinen Record auf 9-1 ausbaute. Sein nächster Kampf wird bei NFC3 stattfinden am 23.05.2021. Dort trifft er im Main Event auf Mohammed Trabelsi.

Das nächste BIG THING dürfte aber Zviad Lazishvili werden, der in den Staaten trainiert und bei LFA unter Vertrag steht. Der 29 Jährige Bantamweight Kämpfer hat einen lupenreinen Record von 12-0 und zeichnet sich wie viele andere Georgier ebenfalls durch gute Submissions aus. Sein nächster Kampf dürfte bald fest stehen, zuletzt kämpfte er im September 2020 gegen Ricky Steele, welchen er via Rear Naked Choke in Runde 1 besiegen konnte. Da sich die UFC oder auch Bellator gerne bei LFA bedient dürfte eine Short Notice, für Lazishvili, im Bereich des realistischen liegen.

Die Georgier haben längst nicht so viele gute Kämpfer wie die Nachbarn aus dem Norden der Republik, aber sie haben an der Spitze so gute Leute, dass es in Georgien mittlerweile einen MMA Hype gibt der die traditionellen Ringer und Sambokämpfer in die MMA Branche bringen könnte. Ich rechne damit, dass in fünf Jahren um die 15-20 Georgier in der UFC mitmischen und einer der oben genannten um einen Titel kämpfen wird. Auf jeden Fall gilt es die Jungs zu beachten und ihren Weg weiter zu verfolgen.

Wie hat dir dieser Beitrag gefallen?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Sam
Ich bin Sam und schreibe für The Crunchtime über die UFC und College Football

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert