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Das Slow Mesh Konzept von Wake Forest

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Letztes Jahr war speziell in der ACC. Clemson wurde zum ersten Mal seit 2014 nicht zum Champion gekrönt, Pittsburgh gewann sie, die kleinste Schule in der Conference war in den Top 15 gerankt und nahm am Championship Game teil. Das wäre Wake Forest. Eine kleine Privatschule in North Carolina mit der kleinsten Zahl an Studierenden in der Power 5. Dabei schafften es die Demon Deacons unter Head Coach Dave Clawson nie, besser als Dritter in der eigenen Division zu werden. Das änderte sich 2021 schlagartig. Ein großer Teil war die Offense, die trotz geringem Talent, wenn man auf das Recruiting schaut, zu den besten des Landes gehörte. Doch wie brachte es diese kleine Schule zustande, eine Offense zu stellen, die im Durchschnitt 41 Punkte erzielte?

Grundkonzept der RPO

Die Offense von Wake Forest, unter Offensive Coordinator Warren Ruggiero, basiert auf dem Konzept der RPO, also der Run-Pass-Option. Dabei blockt die Offensive Line, wie bei einem Run Play, meist mithilfe eines Tight Ends und die Wide Receiver rennen Routen. Währenddessen hat der Quarterback die Option den Ball mittels Handoff dem Runningback zu geben oder den Ball zu behalten und zu werfen. Zentral ist, dass der Quarterback innerhalb von wenigen Bruchteilen entscheiden muss, was er mit dem Ball tun möchte.

Sam Hartman in der Pocket (Foto: Allison Lee Isley / Winston-Salem Journal)

Vorteile der RPO

Der Vorteil von der RPO ist, dass man nie in eine Situation laufen oder passen sollte, in der man outnumbered wird. Die Offensive Line und der Tight End, können zusammen maximal sechs Defender blocken. Das heißt, die Defense müsste sieben Spieler in die Tacklebox schicken, um den Lauf zu stoppen. Tut die Defense dies, haben sie aber nur noch vier Defender in Coverage. Das bedeutet, dass eine Lücke entstehen sollte. Die Defense ist also in einer Zwickmühle und die Offense hat immer eine Möglichkeit Yards zu machen. Der Job des Quarterbacks ist es, während dem potenziellen Handoff den «most dangerous man» zu identifizieren. Das wäre jener, welcher als siebter Defender in die Box kommen könnte und so das Laufspiel verunmöglicht. Basierend auf seinem Verhalten entscheidet sich der Quarterback für den Handoff oder für den Pass.  

Wie die Defense gegen die RPO vorgeht

Jetzt scheint es so, als wäre die RPO unbesiegbar. Doch das ist sie nicht. Die RPO kann dadurch gestoppt werden, dass man sieben Spieler in die Box stellt, währenddessen alle drei Receiver gecovered werden. Dies tut man am besten, indem einer der beiden Safteys den Receiver covered, während der andere in der tiefen Zone als help Player fungiert. Das heißt man spielt Man to Man Coverage mit einem tiefen Safety over Top.

Jahmal Banks mit dem Touchdown gegen Clemson (Foto: Walt Unks / Winston-Salem Journal)

Weiterentwicklung der RPO

Das ist der Punkt, an dem viele Teams mit ihren RPO-Bemühungen aufhören. Anders ist dies aber bei Wake Forest. Während die meisten RPO-Konzepte nur eine Passing Option haben, also nur einen Receiver, zu dem der Quarterback realistischerweise werfen kann, gibt Offensive Coordinator Warren Ruggiero seinem Quarterback mehr Möglichkeiten. Denn dadurch, dass die Defense die Box zustellen muss, entstehen 1 vs. 1 Matchups, beziehungsweise Löcher in der Coverage, da nur ein Safety zum Verteidigen der tiefen Zone verbleibt. Daher bietet es sich an, Wide Receiver auf Routen zu schicken, welche diese Löcher attackieren. Das wären zum Beispiel Dig-Routes, Fades oder Posts. Diese Routen brauchen jedoch Zeit, bis sie sich entwickelt haben. Zeit, die man in einer normalen RPO nicht hat.

Slow Mesh

Hier kommt die grösste Innovation der Demon Deacons ins Spiel, das Slow Mesh. Dabei wird der Mesh-Point so lange wie möglich herausgezögert. Das heißt, der Alibi-Handoff wird verlängert. Das hat mehrere Vorteile:

Der Quarterback hat mehr Zeit, um den «most dangerous man» zu beobachten und kann somit eine bessere Entscheidung treffen. Zudem hat er die Möglichkeit, mehrere Defender hintereinander zu lesen und die Coverage zu identifizieren.

Es erlaubt der Offensive Line die Blocks zu entwickeln und so running Lanes für den Runningback zu öffnen.

Die paar Sekunden verschaffen den Receivern mehr Zeit, um ihre Routen zu entwickeln. So können sie Separation generieren. Bei mehreren tiefen Routen, wie zum Beispiel Double-Posts, kommt dazu, dass sich der Safety entscheiden muss, wo er helfen möchte, was zu einer Lücke in der Coverage führt.

Sam Hartman liest die Defense während dem langen Mesh-Point (Foto: Allison Lee Isley / Winston-Salem Journal)

Beispiel Clemson

Dies sieht man auch, wenn man sich Spiele von Wake Forest anschaut. So zum Beispiel jenes in Week 4 gegen Clemson. Quarterback Sam Hartman warf für 337 Yards und 6 Touchdowns. Doch die spannendste Statistik war die der Big Time Throws, also Würfe über eine längere Distanz, die mit hoher Präzision geworfen wurden. Hartman hatte 14.3% Big Time Throws und noch mehr tiefe Würfe, welche zu Pass Interference Penalties führten. Clemson versuchte die Box mit sieben Spielern zu füllen, was zu 1 vs. 1 Matchups der großen Wide Receiver gegen die Cornerbacks führten. In diesen sind die Corner gegen gute contestet Catch Receiver im Nachteil, was zu Big Plays und Pass Interference Calls führt. Dabei hilft es natürlich, wenn man eines der besten Wide Receiver Cores der ACC hat.

Dritte Option

Was im Fall von Sam Hartman dazu kommt, ist seine Fähigkeiten den Ball selbst zu laufen. Dies ist die dritte Option, die der Quarterback, neben der des Handoffs und der des Passes, hat. Und er tut dies mit Erfolg. So rushte er in der vergangenen Saison für über 500 Yards und 11 TD’s.

Sam Hartman mit dem rushing Touchdown gegen Duke (Foto: Trevor Bowens / Wake Forest)

Viele Hits für den Quarterback

Doch hier beginnt die Kritik am Slow Mesh. Dadurch, dass Defense immer mit dem Run rechnet und daher viele Spieler in die Box schickt, führt das dazu, dass Hartman viele Hits einstecken muss. Zwar helfen die Runningbacks gleich nach dem angetäuschten Handoff in der Pass-Pro aus, doch das reicht nicht immer. Weil der Quarterback den Ball vergleichsweise lange in der Hand hat, wird er häufig nach dem Wurf noch zu Boden gebracht. Zudem spielen blitzende Defender nicht auf den Run, sondern nur auf den Pass, wodurch sie immer den direkten Weg zum Quarterback suchen und nicht auf den langen Handoff reagieren. Außerdem ist der Quarterback ein Teil des Runblocking und braucht häufig seinen Rücken oder seine Schultern, um rushende Spieler von der Backside zu blocken, was ein erhebliches Risiko darstellt.

Sam Hartman wird von K.J. Henry zu Boden gebracht (Foto: Walt Unks / Winston-Salem Journal)

Langsames Running game

Ein weiterer Nachteil ist, dass das running Game nicht explosiv ist. Die offensive Line muss die Blocks extrem lange halten und bekommt nicht die Möglichkeit, mit Pulls oder Trap Plays Geschwindigkeit zu kreieren. Die Runningbacks müssen viel hinter der Line hin und her tanzen, bis sich eine Lücke öffnet und können nicht einfach ein Gap hitten. Zudem muss die Inside absolut dicht sein. Wenn eine Defense überdurchschnittliche Defensive Tackles hat, kann das ganze System der Slow Mesh durcheinandergeraten.

Runningback Christian Turner versucht die Lücke in der NC State Defense zu finden (Foto: Trevor Bowens / Wake Forest)

Es sind Spieler für das System notwendig

Der letzte Punkt, der als Nachteil ausgelegt werden kann ist, dass man die Spieler für das System braucht. Es braucht eine Offensive Line, die die Blocks halten kann. Es braucht gute blocking Tight Ends und Runningbacks, die dazu bereit sind Blitzes aufzunehmen. Und zu guter Letzt braucht es einen Quarterback mit einem hohen Spielverständnis, viel Geduld und der Bereitschaft Hits einzustecken. Doch wenn man diese Spieler hat, wie das bei Wake Forest der Fall ist, sieht man, dass eine enorm kreative und erfolgreiche Offense entstehen kann.

Head Coach Dave Clawson vor dem Spiel gegen Syracuse (Foto: Adrian Kraus / AP Photo)

Zusammenfassung

Man muss noch erwähnen, dass das Slow Mesh Konzept nur ein Teil der Wake Forest Offense darstellt. Sie spielen unter anderem viel Play Action aus 3 by 1, bei dem der Tight End in den Pass integriert wird. Zudem gehören auch «normale» Run Plays und Pässe aus dem Empty Set, zur Offense der Demon Deacons. Die Slow Mesh ist somit ein äußerst kreativer Teil einer ausgeglichenen Offense.

Der Grund, warum Wake Forest die Slow Mesh braucht, erklärte Head Coach Dave Clawson mit dem großen Unterschied im Talent zwischen dem kleinen Wake Forest und den großen Gegnern in der ACC, wie Clemson oder Florida State. So sagte er in einem Interview mit ESPN:

«You can’t look at the competition and say that you’re going to do it better. You have to look at the competition and say that you’re going to do it differently»

Die Slow Mesh muss als Teil einer Offense betrachtet werden, die nicht mit dem größten Talent gesegnet wurde, aber durch das System versucht Plays zu kreieren. Die Statistiken sprechen dabei eine klare Sprache für das System und für das Coaching, wenn man betrachtet, wie viel Wake Forest aus den beschränkten Mitteln hervorbringt.

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Laurin
Ich schreibe seit 2022 für "The Crunchtime“ und bin großer College Football sowie New York Giants Fan. Zudem analysiere ich gerne jeglichen Content, der mit der Offensive Line zu tun hat.

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