Wer mich kennt, weiß, dass es in meinem Leben keine Phase gab, die nicht von Sport geprägt war. Alles fing klassisch mit Fußball an, setzte sich mit Eishockey fort und Basketball schloss den Kreis meiner sportlichen Expertise. Sicherlich auch bedingt durch die ständigen Misserfolge von Werder Bremen und der Krefeld Pinguine, verlässt mich die Lust, Spiele der Sportarten der Kindheit zu verfolgen und erfreue mich fast exklusiv am Spiel auf dem Hartholz. Diese Saison auch dank der Brooklyn Nets.
Nicht falsch verstehen. Ich bin alles andere als ein Fan des Teams von Steve Nash – ganz im Gegenteil. Spätestens seit dem Wechsel von Durant nach Golden State, um DAS Super Team der jüngeren Geschichte zu bauen, ist sein Standing bei mir kontinuierlich gesunken. Nachdem er sich mit Flat Earther Kyrie Irving in Brooklyn zusammenschloss, um ein neues derartiges Team zu formen, wandelte sich meine Sichtweise sogar noch weiter ins Negative.
Diese Saison setzte dem Ganzen die Krone auf. Angefangen damit einem anderen die Krone streitig zu machen. Uncle Drew hob KD auf ein höheres Niveau als LeBron James, indem er ihn in einem Podcast als seinen ersten Mitspieler bezeichnete, der besser sei als er selber. Das grenzt an Majestätsbeleidigung. Vor allem, weil Kyrie wohl nie einen Titel gewonnen hätte ohne King James an seiner Seite.
Warum die Unsympathen die Liga trotzdem geiler machen
Doch damit nicht genug. Ein weiterer Hitzkopf verließ in Windeseile die Herzen der Fans, um aus einem Superstar-Duo die gefährlichste Offensive der Geschichte der NBA zu bilden. Dabei ließ James Harden die Rockets komplett im Stich. Zugegeben sind sie vielleicht auch das offensivstärkste Team aller Zeiten. Zu wenig Spiele haben sie aber bisher zusammen auf dem Court gestanden, um das letztendlich zu beurteilen. Die Stars, die dann auf dem Parkett für die Nets auf Körbejagd gehen, liefern aber Nacht für Nacht, sodass ein Harden durchaus berechtigt in die Konversation zum MVP rutscht.
Mit der Verpflichtung von Griffin und Aldridge verdichtet sich die Anzahl der All-Stars in Brooklyn. Ohne die verdienten Stars dafür verantwortlich zu machen, grüßt nun, wie zu erwarten war, von der Spitze des Ostens das größte Hassobjekt der Liga. Ich fülle die Liste mit allen Aspekten, die Brooklyn in einem möglichst schlechten Licht darstellen – das ist mir mehr als bewusst. Dennoch: Die Brooklyn Nets sind der größte Grund, warum mich die NBA dieses Jahr noch mehr fesselt.
Der Meister steht fest, oder?
Der Favorit auf den Titel in diesem Jahr steht. Wenn alle Superstars bis zu den Playoffs fit werden, kann sie praktisch kein Team über sieben Spiele stoppen. Wie Bayern München im Fußball oder Red Bull München im Eishockey mir den Enthusiasmus für den Sport genommen haben, droht es in dieser Saison auch Brooklyn zu schaffen. Doch das Sammelsurium an Unsympathen führt bei mir sogar dazu, dass ich die Saison mit noch glänzenderen Augen bestaune.
Es ist die enorme Fallhöhe, die mich fasziniert. Wer es nicht mit Brooklyn hält, würde sich ergötzen am Misserfolg von Durant, Irving und Harden. Und dieser ist eben nicht so unwahrscheinlich, wie viele ihn vermuten. Die drei Superstars haben sich in ihrer vollen Pracht erst 187 Minuten zeigen können – eigenspielt ist anders. Das hat ihnen die Konkurrenz voraus. Allein im Osten sind Simmons, Harris und Embiid endlich harmonisch unterwegs. In Milwaukee hat Jrue Holiday die Optionen abseits eines Greek Freaks erweitert und selbst Miami hat in der letzten Saison gezeigt, zu was die Heat Culture in der Lage ist.
Warum ich dankbar für Brooklyn bin
Keine Frage: Brookyln hat immer noch die besten Chancen die Elite des Ostens wegzufegen. Doch selbst wenn das gelingt, wartet in den Finals eine echte Macht aus dem Westen. Seien es die Lakers, wenn AD und LBJ nach ihren Verletzungen zurückfinden. Oder die Clippers, die die beste Breite der Liga stellen. Selbst die Nuggets haben durch Aaron Gordon nun auch einen Dreiklang entwickelt, der Brooklyn vor Schwierigkeiten stellen könnte.
Das größte Hassobjekt der Liga ist aus eigener Sicht jetzt schon Champion. Genau deswegen, verteilen sich meine Sympathien in dieser Saison auf alle anderen 15 Mannschaften, die sich in die Postseason retten. Genau so entfachte meine Liebe damals für Basketball. Ich wollte einzig und allein, dass das Superteam aus Miami gestürzt wird. Dass es am Ende Dirk Nowitzki schaffte, war zwar eine echte Feel-Good-Story, doch ich hätte auch jedes andere Team gefeiert.
Im Endeffekt ist es egal, ob LeBron Kyrie in den Finals auf dem Weg zum Korb abräumt oder Embiid schon im Ostfinale mit 60 Punkten den vierten Sieg für Philly eintütet. Hauptsache einer stürzt die größten Unsympathen der Liga. Und genau weil ich diese Hoffnung haben darf, bin ich froh über den Antihelden der NBA-Saison 2021.
Danke, Brooklyn Nets.